Hare/Niemeyer
Namensgeber für dieses Sitzzuteilungsverfahren sind der englische Jurist Thomas Hare (1806 – 1891) und der deutsche Mathematiker Horst Niemeyer (1931 – 2007). Hare entwickelte diese Methode in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. 1970 wurde es auf Vorschlag von Niemeyer für die Besetzung der Ausschüsse und Gremien des Deutschen Bundestages beschlossen.
Bei den Wahlen vom 11. bis zum 16. Deutschen Bundestag von 1987 bis 2005 wurde die Sitzzuteilung nach dem Hare/Niemeyer-Verfahren vorgenommen, ebenso von 1969 bis 1980 die Sitzverteilung in den Ausschüssen und Gremien des Deutschen Bundestages. Für die deutschen Abgeordneten im Europaparlament wurde das Verfahren von der dritten bis zur sechsten Europawahl 1989 bis 2004 eingesetzt. Derzeit erfolgt in Berlin, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen die Sitzverteilung für die Landtage nach Hare/Niemeyer.
Die einer Partei zuzuteilenden Sitze werden nach diesem Verfahren in zwei Schritten berechnet: Zuerst wird jeweils die Anzahl der Zweitstimmen einer Partei mit der Gesamtanzahl der zu vergebenden Sitze multipliziert und durch die Gesamtanzahl aller zu berücksichtigenden Zweitstimmen geteilt. Im zweiten Schritt wird das Ergebnis aufgespalten in den ganzzahligen Anteil und den Rest. Die ganzzahligen Anteile werden der jeweiligen Partei als Sitze zugeschrieben. Die übrigen Sitze werden den Parteien in der Reihenfolge der Reste nach deren Größe zugewiesen. Diese Berechnung soll an dem bereits oben verwendeten Rechenbeispiel mit denselben Stimmanzahlen gezeigt werden:
Formel:
Partei | Berechnung | Reihenfolge der Reste nach Größe | danach zuzuteilende Sitze |
---|---|---|---|
Partei A | 3. | 4 | |
Partei B | 1. | 2 + 1 = 3 | |
Partei C | 2. | 0 + 1 = 1 |
An diesem Beispiel ist zu sehen, dass die kleinste Partei C im Gegensatz zu der Berechnung nach d’Hondt nun einen Sitz erhält und die Benachteiligung kleinerer Parteien durch dieses Sitzzuteilungsverfahren beseitigt wird.
Bei dem Verfahren nach Hare/Niemeyer treten jedoch einige Paradoxien auf, zum Beispiel das sogenannte Alabama-Paradoxon. Dabei kann eine Partei durch Erhöhung der Gesamtanzahl der zu vergebenden Sitze bei gleicher Stimmenverteilung einen Sitz verlieren.
Stand: 11. Juli 2024